Am Montag, 07. Oktober 2024 findet der jährliche „Welttag für menschenwürdige Arbeit“ (World Day for decent work) statt. Im Jahr 2008 wurde dieser zum 1.Mal vom Internationalen Gewerkschaftsbund begangen. An diesem Tag setzen sich insbesondere die Gewerkschaften weltweit für die Herstellung und Einhaltung menschenwürdiger Arbeitsbedingungen ein.
Der Fokus der Aktionen liegt dabei auf der Thematisierung von ausbeuterischen Beschäftigungs-verhältnissen, niedrigen Löhnen – von denen man nicht leben kann, ungenügendem Arbeitsschutz sowie einer Abnahme „normaler“ Arbeitsverhältnisse. Diese Themen sind leider auch in Nordrhein-Westfalen Realität und ein Schwerpunkt der Beratungsstellen Arbeit (kurz: BSA).
Die Beratungsstellen Arbeit sind ortsnahe Anlaufstellen für arbeitslose oder von Arbeitslosigkeit bedrohte Menschen. Sie werden aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) und des Landes NRW gefördert und sind in allen 53 Kreisen und kreisfreien Städten des Bundeslandes zu finden. Im Kreis Mettmann befinden sich die BSA-Anlaufstellen in Velbert, Erkrath sowie Monheim am Rhein. Damit ist das gesamte Kreisgebiet abgedeckt und eine gute Erreichbarkeit für Beratungssuchende gegeben.
Die Beratungsstellen Arbeit informieren und unterstützen ratsuchende Personen insbesondere bei Fragen zu Beschäftigung und Qualifizierung, bei wirtschaftlichen oder psychosozialen Problemlagen sowie zu arbeits- und sozialrechtlichen Themen. Den Betroffenen werden Wege zu weiterführenden Hilfs-/Beratungsangeboten aufgezeigt sowie niedrigschwellige Begegnungs-Möglichkeiten angeboten.
Die Beratungsstellen Arbeit gelten zudem als wichtiger Baustein im landesweiten Beratungsnetzwerk gegen Arbeitsausbeutung. Als ausbeuterisch sind solche Beschäftigungsverhältnisse einzuordnen, in denen vorgeschriebene Arbeitsbedingungen umgangen werden, zum Beispiel durch die Umgehung des gesetzlichen Mindestlohns, fehlende Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall oder bei Urlaub oder durch unrechtmäßige Kündigungen. In dem Beratungsnetzwerk gegen Arbeitsausbeutung kooperieren sie regelmäßig mit den bestehenden Projekten des Landes und des Bundes in NRW.
In diesem Rahmen bietet der Kooperationsverbund „Beratungsstellen Arbeit im Kreis Mettmann“ z.B. regelmäßig offene Veranstaltungen zum Thema „Deine Rechte auf dem deutschen Arbeitsmarkt“ an. Im Anschluss an die letzte Veranstaltung in Velbert wurden die BSA-Vertreter von einem älteren Herren um ein persönliches Gespräch gebeten. Das Thema hatte Herrn M. zum Nachdenken gebracht, weshalb er um Informationen für seinen „guten Freund und Nachbarn“ Juri bat. Aus Osteuropa kommend, lebe dieser in einer Art Wohngemeinschaft und würde den ganzen Tag nur arbeiten – ohne Pausen und für wenig Lohn. Eine zunächst wenig konkrete Aussage, hinter der sich jedoch erfahrungsgemäß viel verstecken kann! Aufgrund dessen wurde ein Termin in der Beratungsstelle Arbeit vereinbart, wo Herr M. mit seinem Freund eine Woche später zu einer Analyse der Situation und Problematik erschien.
Dort berichtete Juri in gebrochenem Deutsch, dass er aus ärmlichen Verhältnissen stamme und auf Vermittlung seines Arbeitgebers zum Arbeiten nach Deutschland gekommen sei. Die Arbeit sei zwar schwer und anstrengend, doch er bräuchte das Geld für seine Familie in der Heimat. Sein Arbeitgeber habe ihm zudem ein Zimmer in einem seiner Häuser vermittelt. Es sei zwar nicht so schön, sich eine Wohnung mit mehreren Männern zu teilen, aber ein eigenes Zuhause sei zu teuer. Seinen Lohn würde er bekommen, aber manchmal müsse er darauf warten und mehrfach nachfragen.
Die BSA-Mitarbeiter baten Juri daraufhin um Einsicht in seine persönlichen Unterlagen, wie z.B. Arbeitsvertrag, Lohnabrechnungen sowie Mietvertrag. Die teilweise vorhandenen Dokumente wurden geprüft, wobei sich zunehmend der Verdacht erhärtete, dass sich Juri tatsächlich in einer prekären und ausbeuterischen Beschäftigung befand. Nach § 233 StGB handelt es sich dabei um den Tatbestand der „Ausbeutung der Arbeitskraft“ – eine Straftat!
Hier genügt es, dass ein Täter die schlechte wirtschaftliche Situation seines Opfers kennt und diese für sich ausnutzt, indem er die Person unter ausbeuterischen Bedingungen beschäftigt. Dazu zählen z.B. schlechte Bezahlung, überlange Arbeitszeiten, überhöhte Vermittlungsgebühren und Mietzahlungen,
gefährliche Arbeitsbedingungen und auch das Vorenthalten des Lohns.
Ausbeuterische Arbeitgeber erwirtschaften ihre Gewinne also (zum Teil) mit Verletzungen der Arbeits- wie auch Menschenrechte. Die aufenthaltsrechtliche Abhängigkeit vom Arbeitgeber, fehlende Sprach- und Rechtskenntnisse, fehlende Beweismittel sowie ein erschwerter Zugang zu Beratung führen zu einer strukturellen Unterlegenheit der Betroffenen, wo sie sich rechtlich kaum wehren können und das Risiko für den Arbeitgeber daher relativ gering ist. Und kein Wirtschaftszweig ist immun gegen Ausbeutung.
Leider kennen viele Beschäftigte ihre Rechte und deutsche Mindeststandards wie Mindestlöhne oder Erholungsurlaub nicht. Daher findet auch in Deutschland tagtäglich Arbeitsausbeutung statt. Es gibt Branchen, in denen die Wahrscheinlichkeit höher ist, in ausbeuterische Beschäftigungsverhältnisse zu geraten – in Pflege, Landwirtschaft, fleischverarbeitender Industrie, im Haushalt oder im Baubewerbe. Hierbei handelt es sich vor allem um Beschäftigungen, die keine formelle Ausbildung oder Sprachkenntnisse erfordern. Allerdings werden die Schicksale der Betroffenen spätestens seit der Covid-19-Pandemie in der Öffentlichkeit stärker wahrgenommen.
Zudem wurden in den letzten 10 Jahren zahlreiche Gesetzesänderungen vorgenommen, die ausbeuterische Arbeitsbedingungen verhindern sollen (z.B. der gesetzliche Mindestlohn, das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz, die Reformierung der Straftatbestände, das Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft oder das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz).
Die Beratungsstellen Arbeit in NRW bieten in diesen Fällen sowohl Betroffenen wie auch Angehörigen Unterstützung an und vermitteln im Bedarfsfall an andere Stellen (u.a. Opferschutzstelle beim Zoll) wie auch spezialisierte Fachberatungen (z.B. „Arbeit und Leben“ oder „Servicestelle gegen Zwangsarbeit“).
Auch Herrn M. und Juri konnte in der oben geschilderten Situation geholfen werden, sodass letzterer nun einer tariflich-bezahlten Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber nachgeht und mit Hilfe von Herrn M. in ein angemietetes Apartment umziehen konnte.
Im Kreis Mettmann können Betroffene die Beratungsstellen Arbeit in den Städten Velbert, Erkrath und Monheim am Rhein ansprechen!
BSA Velbert: BePro Velbert e.V. – Dürer Str. 16, 42549 Velbert – Telefon: 02051 / 20 886 16 – Mail: beratungsstelle.arbeit@bepro-velbert.de
BSA Erkrath: SKFM Erkrath e.V. – Hildener Str. 28, 40699 Erkrath – Telefon: 0211 / 950 725 16 – Mail: beratungsstelle.arbeit@skfm-erkrath.de
BSA Monheim a.R.: SKFM Monheim am Rhein e.V. – Ernst-Reuter-Platz 2, 40789 Monheim am Rhein –Telefon: 02173 / 9569-55 – Mail: beratungsstelle-arbeit@skfm-monheim.de
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